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Spannendes und Wundervolles aus Erfurt
Erfurt: Oktoberfest, Gewalt und politische Attacken – Die dramatische Woche vom 28. September bis 5. Oktober 2025

Erfurt: Oktoberfest, Gewalt und politische Attacken – Die dramatische Woche vom 28. September bis 5. Oktober 2025

Eine Woche zwischen Oktoberfest-Glanz, politischen Spannungen und kriminellen Abenteuern – Erfurt im Ausnahmezustand.

Wenn die Landeshauptstadt den Atem anhält

Es gibt Wochen, die sich anfühlen wie ein Brennglas der Gegenwart. Vom 28. September bis zum 5. Oktober 2025 erlebte Erfurt genau eine solche Zeit: Das Oktoberfest auf dem Domplatz lockte Tausende Besucher an, während zeitgleich die Country Messe Europas größtes Western-Event in die Messehallen brachte. Doch hinter der festlichen Fassade brodelte es – politisch motivierte Sachbeschädigungen, dreiste Diebstähle und Gewalt im öffentlichen Raum prägten das Stadtbild ebenso wie couragierte Rettungskräfte und kulturelle Höhepunkte.

Oktoberfest trifft Country-Feeling

Das Erfurter Oktoberfest, das bereits am 26. September seine Pforten geöffnet hatte, erreichte in dieser Woche seinen Höhepunkt. Auf dem Domplatz drehte sich das Riesenrad, im Festzelt floss das Paulaner Oktoberfestbier, und erstmals sorgte eine Sicherheits-App für diskrete Notfallhilfe. Parallel verwandelte sich die Messe Erfurt vom 2. bis 5. Oktober in Europas größten Country-Treffpunkt: Über 60 Live-Acts auf drei Bühnen, Line-Dance-Workshops und eine internationale Händlermeile zogen mehr als 3.500 Fans an. Die österreichische Singer-Songwriterin Cat Lion begeisterte am Samstag mit modernem Country-Sound, während Deutschlands größter BBQ-Truck für kulinarische Höhepunkte sorgte. Die Doppelveranstaltung zeigte Erfurt von seiner festlichsten Seite – eine Stadt, die Tradition und zeitgenössische Kultur mühelos vereint.

Blumen, Handys und Zigaretten

Die Kriminalpolizei hatte in dieser Woche alle Hände voll zu tun. Am 29. September stahlen zwei Männer am Erfurter Hauptbahnhof Blumensträuße – ein Delikt, das auf den ersten Blick kurios erscheint, aber die Dreistigkeit mancher Täter offenbart. Deutlich professioneller ging ein 17-jähriger Marokkaner vor: Er stahl einer 39-Jährigen am Montagabend das Handy aus dem Rucksack, während sie den Hauptbahnhof betrat. Die Bundespolizei nutzte Videoaufzeichnungen, um den Jugendlichen zu identifizieren – am Dienstagmittag erkannten ihn Beamte im Bahnhof wieder und nahmen ihn fest. Der bereits polizeibekannte Täter wurde zusätzlich von der hessischen Justiz wegen eines Wohnungseinbruchs gesucht. In der Nacht zum Dienstag schlugen drei Jugendliche im Alter von 14 bis 17 Jahren zu: Sie rissen in der Krämpfervorstadt einen Zigarettenautomaten von der Wand, zerstörten ihn vollständig und erbeuteten Bargeld sowie Zigaretten – Sachschaden rund 3.000 Euro.

Gewalt im Nahverkehr

Die Straßenbahn als Tatort – was nach Ausnahme klingt, wurde in dieser Woche zweimal zur bitteren Realität. Am Dienstag, dem 1. Oktober, kontrollierten Fahrkartenkontrolleure gegen 13:15 Uhr einen 14-Jährigen ohne gültigen Fahrschein in der Innenstadt. An der Haltestelle Andreasstraße/Webergasse eskalierte die Situation: Drei Begleiter des Schwarzfahrers im Alter von 15 bis 17 Jahren mischten sich ein, es entwickelte sich eine verbale Auseinandersetzung, die in körperliche Angriffe auf beide Kontrolleure mündete. Beide Mitarbeiter erlitten leichte Verletzungen, die Polizei ermittelt wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung. Am selben Vormittag übersah eine 69-jährige Fußgängerin an der Haltestelle Johannesstraße eine einfahrende Straßenbahn, wurde erfasst, stürzte und erlitt schwere Verletzungen. Die Tram war bereits mit reduzierter Geschwindigkeit unterwegs, dennoch konnte der Zusammenstoß nicht verhindert werden – Rettungskräfte brachten die Frau ins Krankenhaus.

SUV im Visier politischer Aktivisten

In der Nacht vom 1. auf den 2. Oktober erlebte die Erfurter Löbervorstadt eine Serie politisch motivierter Sachbeschädigungen. Unbekannte ließen bei mindestens acht Fahrzeugen, darunter mehrere SUV, systematisch die Luft aus sämtlichen Reifen. An jedem Auto hinterließen die Täter ein Schreiben mit SUV-Kritik, aus dem die politische Motivation klar hervorging. Die Polizei hat Ermittlungen wegen politisch motivierter Sachbeschädigung aufgenommen, der entstandene Sachschaden ist bislang nicht bezifferbar. Der Fall reiht sich ein in eine bundesweite Debatte über Klimaaktivismus und urbane Mobilität – doch die Grenze zur Straftat ist mit dieser Aktion eindeutig überschritten. Besitzer von SUV, die im genannten Zeitraum ebenfalls Beschädigungen feststellten, werden gebeten, sich bei der Polizei zu melden.

Tag der Deutschen Einheit unter Polizeischutz

Der 3. Oktober 2025 stand in Erfurt ganz im Zeichen politischer Demonstrationen. Die AfD hatte mit ihrem Landesvorsitzenden Björn Höcke eine Kundgebung angemeldet, was ein Bündnis namens „Auf die Plätze“ zu einer Gegendemonstration unter dem Motto „Keine Einheit mit Faschist*innen“ auf den Bahnhofsvorplatz um 13:30 Uhr mobilisierte. Die Landespolizeidirektion bereitete einen thüringenweiten Polizeieinsatz vor, um einen friedlichen Verlauf zu gewährleisten. Am Ende zog die Polizei eine überwiegend positive Bilanz: Der Tag der Deutschen Einheit verlief in Thüringen größtenteils ruhig. Die massive Polizeipräsenz hatte offenbar ihre Wirkung entfaltet und verhindert, dass die angespannte politische Stimmung in Gewalt umschlug.

Johanniter küren beste Retter Deutschlands

Während andernorts Konflikte schwelten, fand vom 26. bis 28. September auf dem Gelände der Messe Erfurt ein ganz anderes Event statt: der Bundeswettkampf der Johanniter in Erster Hilfe und Notfallrettung. Rund 3.000 Johanniter aus ganz Deutschland kamen in die Landeshauptstadt, um die besten Retter des Landes zu ermitteln. 54 Teams aus allen neun Landesverbänden und sechs Gastmannschaften traten in realistischen Szenarien gegeneinander an: Blutungen stoppen, Wiederbelebungsmaßnahmen einleiten, Kreislauf stabilisieren – alle Aufgaben wurden von speziell geschulten Helfern professionell geschminkt und äußerst realistisch dargestellt. 130 Schiedsrichter bewerteten die Leistungen der größtenteils ehrenamtlichen Teams. Thüringens Ministerpräsident Mario Voigt übernahm die Schirmherrschaft und ehrte bei einer Festveranstaltung verdiente Johanniterinnen und Johanniter.

Betrunken ins Gleisbett

Am frühen Morgen des 4. Oktober gegen 04:05 Uhr stellte ein PKW-Lenker in der Bonefaciusstraße einen bizarren Rekord auf. Der Fahrer verwechselte offenbar die Straße mit dem geschotterten Gleisbett der Straßenbahn und fuhr hinein – erst nach 121 Metern kam das Fahrzeug an der Haltestelle Gothaer Platz zum Stehen. Als die Polizei eintraf, gab eine Frau an, gefahren zu sein – der Atemalkoholtest ergab 1,76 Promille. Eine Zeugin identifizierte jedoch eine andere Person als möglichen Fahrer, auch dieser hatte 1,60 Promille. Das Fahrzeug musste mit einem Abschleppwagen aus dem Gleisbett gehoben werden, dabei wurden unter anderem ein Gullideckel aus der Verankerung gerissen und Halterungen beschädigt. Beide Personen wurden zur Dienststelle gebracht, wo Blutproben entnommen wurden – die Ermittlungen dauern an.

Einbruch bei Sonnenaufgang

Am frühen Morgen des 1. Oktober, gegen 06:40 Uhr, drang ein unbekannter Täter gewaltsam über ein Fenster in ein Kosmetikstudio in der Erfurter Innenstadt ein. Im Inneren durchwühlte der Einbrecher mehrere Schränke und beschädigte dabei Dekorationsgegenstände. Die Registrierkasse wurde mit Gewalt geöffnet, das Kabel durchtrennt – die Beute fiel jedoch mager aus: etwa 30 Euro Bargeld. Die Höhe des entstandenen Sachschadens übersteigt die Beute bei Weitem, ist aber noch nicht abschließend bekannt. Die Kriminalpolizei hat Ermittlungen wegen besonders schweren Diebstahls aufgenommen und Spuren am Tatort gesichert. Der Fall zeigt einmal mehr, dass Gelegenheit Diebe macht – doch professionell wirkt dieser Einbruch nicht.

Müllgebühren steigen 2026

Während die Woche mit Festlichkeiten und Kriminalfällen gefüllt war, kündigte die Stadt Erfurt eine Nachricht an, die alle Haushalte betrifft: Die Müllabfuhr wird im kommenden Jahr teurer. Ab 2026 müssen Erfurter 56 Euro jährliche Grundgebühr für eine Tonne zahlen – das sind 6,55 Euro mehr als bisher. Bei einem Zwei-Personen-Haushalt mit einer 40-Liter-Tonne steigen die Gebühren um 17,41 Euro auf 136,95 Euro pro Jahr. Eine 120-Liter-Tonne kostet 28,77 Euro mehr. Laut Stadtwerken waren die Gebühren zuletzt vor drei Jahren angehoben worden, die neuen Preise sollen bis 2027 gelten. Die neue Abfallgebührensatzung hatte der Stadtrat bereits im September beschlossen. Die Erhöhung begründet die Stadt mit gestiegenen Entsorgungskosten.

Basis-Infos zur Woche

  • Oktoberfest: Läuft vom 26. September bis 12. Oktober auf dem Domplatz, täglich geöffnet mit Festzelt, Riesenrad und Sicherheits-App
  • Country Messe: 2. bis 5. Oktober in der Messe Erfurt, über 60 Live-Acts, 3.500 Besucher
  • Johanniter-Wettkampf: 26. bis 28. September, 3.000 Teilnehmende, 54 Teams im Bundeswettkampf
  • Kriminalität: Blumendiebstahl (29.9.), Handydieb festgenommen (1./2.10.), Zigarettenautomat aufgebrochen (1.10.), Kosmetikstudio-Einbruch (1.10.)
  • Gewalt: Fahrkartenkontrolleure angegriffen (1.10.), 69-Jährige bei Straßenbahnunfall schwer verletzt (1.10.)
  • Politische Sachbeschädigung: SUV-Reifen in Löbervorstadt aufgestochen (Nacht 1./2.10.), mindestens acht Fahrzeuge betroffen
  • Tag der Deutschen Einheit: 3. Oktober mit Demonstrationen und Gegendemos, massiver Polizeieinsatz, überwiegend friedlicher Verlauf
  • Kurioses: Auto fährt 121 Meter im Straßenbahn-Gleisbett (4.10.), beide Insassen betrunken
  • Gebührenerhöhung: Müllabfuhr ab 2026 teurer, Grundgebühr steigt um 6,55 Euro auf 56 Euro jährlich

Tipps für die kommenden Wochen

Wer das Erfurter Oktoberfest noch besuchen möchte, sollte den Mittwoch nutzen – Familientag mit reduzierten Preisen. Sitzplatzreservierungen im Festzelt sind online möglich unter www.festzelt-erfurt.de. Das musikalische Rahmenprogramm variiert täglich. Besucher sollten die neue Sicherheits-App nutzen, die im Notfall diskret Hilfe holt. Wer mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreist, muss derzeit mit erheblichen Behinderungen rechnen: Wegen Baustellen auf der Schwarzburger Straße und im Bereich Lissabonner Straße/Dubliner Straße sind wichtige Verbindungen gesperrt. Besonders betroffen sind Bewohner des Ortsteils Marbach und Kunden des Thüringenparks. Die Bauarbeiten sollen bis kurz vor Weihnachten dauern. Im Nahverkehr gilt erhöhte Aufmerksamkeit – wer ohne Fahrschein erwischt wird, sollte kooperativ bleiben, um Eskalationen zu vermeiden.

Sicherheit im öffentlichen Raum

Die Ereignisse dieser Woche werfen grundlegende Fragen zur Sicherheit im öffentlichen Raum auf. Fahrkartenkontrolleure werden bei ihrer Arbeit angegriffen, Fußgänger übersehen Straßenbahnen, politische Aktivisten beschädigen fremdes Eigentum – das Spektrum reicht von Unachtsamkeit bis zu gezielter Gewalt. Die Stadt reagiert mit technischen Lösungen wie der Sicherheits-App beim Oktoberfest, doch die eigentliche Herausforderung liegt tiefer. Es geht um gesellschaftlichen Zusammenhalt, um Respekt vor Mitmenschen und deren Eigentum, um die Frage, wie wir Konflikte austragen. Die massive Polizeipräsenz am Tag der Deutschen Einheit zeigt, welcher Aufwand nötig ist, um friedliche Demonstrationen zu gewährleisten. Die Johanniter beweisen zeitgleich, dass es auch anders geht: 3.000 Menschen kommen zusammen, um ihre Rettungskompetenz unter Beweis zu stellen – ohne Konflikte, mit gegenseitiger Wertschätzung.

Wirtschaftliche Belastungen

Die angekündigte Erhöhung der Müllgebühren trifft alle Erfurter Haushalte. Für einen Zwei-Personen-Haushalt bedeuten 17,41 Euro mehr pro Jahr zwar keine existenzielle Bedrohung, doch in der Summe mit anderen Gebührenerhöhungen – etwa beim Parken oder Abwasser – entsteht eine spürbare Mehrbelastung. Die Stadt argumentiert mit gestiegenen Entsorgungskosten, doch Bürger fragen sich zurecht, warum nicht stärker an Effizienz gearbeitet wird. Zumal die Gebühren zuletzt vor drei Jahren erhöht wurden und nun bis 2027 gelten sollen – in einer Zeit hoher Inflation und wirtschaftlicher Unsicherheit keine beruhigende Perspektive. Gleichzeitig investiert die Stadt in Großveranstaltungen und Infrastruktur – ein Balanceakt zwischen notwendigen Ausgaben und Bürgernähe, der zunehmend schwieriger wird.

Kulturelle Vielfalt als Chance

Das Nebeneinander von Oktoberfest und Country Messe zeigt Erfurts kulturelle Bandbreite. Während auf dem Domplatz bayerische Tradition zelebriert wird, verwandelt sich die Messehalle in eine amerikanische Westernstadt – beide Events ziehen Tausende Besucher an und beweisen, dass Erfurt mehr ist als nur Verwaltungssitz. Die Country Messe mit ihrem Fünf-Jahres-Vertrag etabliert sich als feste Größe im Veranstaltungskalender, die Veranstalter denken bereits über Erweiterungen mit Truckern, Bikern und sogar Pferden nach. Doch bei aller Festfreude darf nicht übersehen werden, dass diese Events auch Schattenseiten haben: Lärm, Verkehr, Müll. Die Anwohner des Domplatzes müssen 17 Tage lang mit erheblichen Einschränkungen leben, während die Stadt vom Tourismusgeschäft profitiert. Ein Interessensausgleich, der nicht immer gelingt und regelmäßig zu Beschwerden führt.

FAQ

Wie lange läuft das Erfurter Oktoberfest noch?
Das Oktoberfest auf dem Domplatz läuft noch bis zum 12. Oktober 2025. Die Öffnungszeiten variieren: Werktags meist 14:00 bis 22:00 Uhr, am Wochenende ab 11:00 Uhr. Mittwochs ist Familientag mit reduzierten Preisen.

Was ist die neue Sicherheits-App beim Oktoberfest?
Erstmals kommt beim Erfurter Oktoberfest eine Sicherheits-App zum Einsatz, die im Notfall diskret ein Hilfesignal sendet. Prävention wird damit sichtbar Teil der Festdramaturgie.

Warum steigen die Müllgebühren in Erfurt?
Die Stadt begründet die Erhöhung ab 2026 mit gestiegenen Entsorgungskosten. Die Gebühren waren zuletzt vor drei Jahren angehoben worden. Die neue Abfallgebührensatzung wurde im September vom Stadtrat beschlossen.

Wie sicher ist der öffentliche Nahverkehr in Erfurt?
Die Vorfälle dieser Woche zeigen, dass es zu Übergriffen kommen kann. Grundsätzlich gilt: Bei Kontrollen kooperativ verhalten, aufmerksam an Haltestellen sein und bei Gefahrensituationen die Polizei rufen.

Welche Verkehrsbehinderungen gibt es aktuell in Erfurt?
Wegen Baustellen auf der Schwarzburger Straße und im Bereich Lissabonner Straße/Dubliner Straße müssen Autofahrer erhebliche Umwege in Kauf nehmen. Besonders betroffen sind Bewohner des Ortsteils Marbach und die Zufahrt zum Thüringenpark. Die Arbeiten dauern bis kurz vor Weihnachten.

Kritik: Zwischen Festkultur und sozialer Spaltung

Wenn eine Stadt gleichzeitig Oktoberfest feiert und politisch motivierte Sachbeschädigungen erlebt, offenbart sich ein gesellschaftlicher Riss, der tiefer geht als oberflächliche Kriminalstatistiken vermuten lassen. Die SUV-Attacken in der Löbervorstadt sind nicht einfach Vandalismus – sie sind Ausdruck eines Klassenkonflikts, der sich an Konsumgütern entzündet. Während auf dem Domplatz das Paulaner fließt und Touristen das historische Ambiente genießen, lassen Aktivisten nachts Autoreifen ab und hinterlassen politische Manifeste. Der Graben zwischen jenen, die sich SUVs leisten können, und jenen, die diese als Symbol ökologischer Verantwortungslosigkeit brandmarken, wird größer. Die Stadtgesellschaft spaltet sich in Lager, die nicht mehr miteinander reden, sondern aneinander vorbei – oder gegeneinander.

Die Erhöhung der Müllgebühren trifft dabei alle, unabhängig vom Fahrzeug. Doch während gutverdienende Haushalte die 17 Euro Mehrkosten kaum spüren, bedeuten sie für Geringverdiener und Rentner eine spürbare Belastung. Die Stadt verweist auf gestiegene Entsorgungskosten, als wäre das ein Naturgesetz. Doch wo bleibt die kritische Prüfung der Vergabeverfahren, die Suche nach effizienteren Lösungen, die Transparenz über die tatsächlichen Kostentreiber? Stattdessen werden Gebühren erhöht und zeitgleich Großveranstaltungen subventioniert. Die Prioritäten sind klar: Eventkultur vor sozialer Gerechtigkeit, Festzelte vor bezahlbarem Wohnen, Tourismusmarketing vor Bürgernähe. Eine Stadt, die ihre Bewohner als Kostenfaktor betrachtet und als Kulisse für Instagram-Events inszeniert, hat ihre Seele verloren.

Die Gewalt gegen Fahrkartenkontrolleure ist Symptom einer verrohten Jugendkultur, die Autorität nicht mehr respektiert und Konflikte mit Fäusten löst. Vier Jugendliche im Alter von 14 bis 17 Jahren prügeln auf zwei Erwachsene ein, weil einer von ihnen schwarz gefahren ist – und niemand scheint überrascht. Die Eltern werden informiert, die Jugendlichen übergeben, als wäre nichts gewesen. Doch was geschieht danach? Welche Konsequenzen ziehen diese Taten nach sich? Die Gesellschaft hat aufgehört, klare Grenzen zu setzen, aus Angst, als autoritär oder unsensibel zu gelten. Das Ergebnis ist eine Generation, die glaubt, alles sei verhandelbar, auch Gewalt. Die Johanniter zeigen zeitgleich, dass es auch anders geht – 3.000 Menschen, die sich ehrenamtlich für Rettung und Erste Hilfe engagieren, ohne Gewalt, ohne Ego, mit gegenseitigem Respekt. Doch diese stillen Helden erhalten einen Bruchteil der medialen Aufmerksamkeit, die Gewalttätern zuteil wird. Eine Gesellschaft zeigt ihre wahren Werte nicht in dem, was sie toleriert, sondern in dem, was sie würdigt.

Fazit: Eine Stadt im Spiegel ihrer Widersprüche

Die Woche vom 28. September bis 5. Oktober 2025 war ein Brennglas für Erfurt im Jahr 2025. Die Landeshauptstadt präsentierte sich als lebendige Kulturmetropole mit Oktoberfest und Country Messe, als Ort ehrenamtlichen Engagements beim Johanniter-Bundeswettkampf und als Schauplatz politischer Demonstrationen am Tag der Deutschen Einheit. Doch gleichzeitig offenbarten sich tiefe Risse: politisch motivierte Sachbeschädigungen, Gewalt gegen Kontrolleure, dreiste Diebstähle und ein skurriler Vorfall, bei dem ein betrunkener Autofahrer 121 Meter durchs Gleisbett fuhr.

Diese Widersprüche sind kein Zufall, sondern Ausdruck einer Gesellschaft im Umbruch. Erfurt wächst, modernisiert sich, zieht Touristen an – doch nicht alle profitieren gleichermaßen. Die angekündigte Erhöhung der Müllgebühren ist nur ein Beispiel für steigende Lebenshaltungskosten, die vor allem mittlere und untere Einkommensschichten belasten. Zeitgleich wird in Events und Infrastruktur investiert, die primär Außenwirkung erzeugen, während soziale Härten in Kauf genommen werden.

Die Kriminalität dieser Woche zeigt ein weiteres Muster: Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren sind überproportional beteiligt – ob beim Zigarettenautomaten-Aufbruch, beim Angriff auf Fahrkartenkontrolleure oder beim Handydiebstahl. Hier manifestiert sich ein Erziehungs- und Bildungsproblem, das weit über Erfurt hinausweist. Eine Gesellschaft, die ihre Jugend nicht einbindet, erntet Frustration und Aggression.

Doch es gibt auch Hoffnung: Die 3.000 Johanniter, die sich ehrenamtlich für Rettung und Erste Hilfe engagieren, beweisen, dass solidarisches Handeln nicht ausgestorben ist. Die Bundespolizei, die systematisch Videoaufzeichnungen auswertet und Täter identifiziert, zeigt, dass Rechtsstaat funktionieren kann. Und die Tausenden Besucher von Oktoberfest und Country Messe demonstrieren, dass Menschen Gemeinschaft suchen – auch wenn sie diese zunehmend in kommerziellen Events statt in nachbarschaftlichen Strukturen finden.

Erfurt steht stellvertretend für viele deutsche Mittelstädte vor der Frage: Welche Art von Gemeinschaft wollen wir sein? Eine, die Festivals feiert, während soziale Konflikte eskalieren? Oder eine, die Festkultur und sozialen Zusammenhalt gleichermaßen pflegt? Die Antwort wird nicht in einer Woche gefunden, sondern im täglichen Umgang miteinander – auf der Straße, in der Straßenbahn, am Arbeitsplatz, im Stadtrat. Die vergangene Woche hat gezeigt, wie dünn die Decke der Zivilisation manchmal ist. Doch sie hat auch bewiesen, dass unter dieser Decke Menschen leben, die sich engagieren, helfen, retten – oft im Stillen, ohne Applaus. Diese Menschen verdienen unsere Aufmerksamkeit mindestens ebenso wie jene, die Schlagzeilen mit Gewalt und Zerstörung produzieren.

Quellen der Inspiration

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Tom Scharlock

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auch sehr fein

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